Erased Drawing

Ein fast weißes Stück Papier. Nicht ganz weiß, mit wenigen, kaum wahrnehmbaren

Gebrauchsspuren. Hinter Glas in einem einfachen, vergoldeten Rahmen. Ca. 64 x 55 cm groß.

Auf dem Passepartout ein Bilderschild: „Robert Rauschenberg, ausradierte Zeichnung von Willem de Kooning, 1953“. Seit 1998 im Besitz des San Francisco Museum of Modern Art.

Wer will, erfährt, dass der berühmte, damals 49 Jahre alte abstrakte Expressionist dem über 20 Jahre jüngeren Robert Rauschenberg freiwillig eine Zeichnung schenkte. Wohl wissend, dass dieser sie ausradieren wolle. Mehrfach hatte Rauschenberg schon eigene Zeichnungen ausradiert, ohne mit den Ergebnissen zufrieden zu sein.

Nicht leicht sollte dieser es haben, weshalb der Ältere eine Arbeit mit Kreide, Tusche, Bleistift und Kohle wählte. Annähernd zwei Monate soll der Jüngere mit allerlei Radierern am Werk gearbeitet haben, bis er es (fast) wieder aus der Welt schaffte. Da es zuvor nie fotografiert worden war, sind nur noch Erinnerungen und Vorstellungen vom Zustand vor der Zerstörung existent. Zehn Jahre lang, bis 1963, zeigte Rauschenberg das Werk nicht in der Öffentlichkeit. Nur Besucher seines Ateliers bekamen es zu sehen, die es so beeindruckte, dass seine Existenz bald vielen bekannt war. Als eindringliches Statement gegen das Zeichnen im herkömmlichen Sinn, des Zeichnens als individuelle Form der Entäußerung. Ein erstes Anzeichen der Abwendung vom abstrakten Expressionismus der Nachkriegszeit hin zur Pop-Art, zu einer Wiedervereinigung der künstlerischen Bildwirklichkeit mit der erlebbaren Wirklichkeit der alltäglichen Umwelt, mit Urbanisierung, Werbung und Konsum. Also eine Art Bildersturm. (Thomas Brandt)


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